Dichtes Gedränge auf Flughafen-Aussichtsterrassen wie im westfälischen Münster, Fahrzeugstaus auf Feldwegen in den Einflugschneisen wie in Nörvenich im Kreis Düren – tausende Flugzeugbegeisterte haben Regenschauern zum Trotz die letzte „Transall“ der Bundeswehr mit der Kennung 50+40 auf ihrer zweitägigen Abschiedstour durch Deutschland fotografierend, filmend und winkend erwartet.
Wohl die wenigsten geduldig Wartenden ahnten, dass die lange geplante Goodbye-Tour wegen der dramatischen Evakuierungsflüge der Transall-Nachfolger A400M aus Afghanistan kurz vor der Absage stand. Die ungezählten Fans wollte die Luftwaffe aber trotzdem nicht enttäuschen. „Wir wussten aufgrund der vielen Nachfragen, dass sich etliche Interessierte extra dafür Urlaub genommen haben“, sagte ein Oberstabsfeldwebel. „Natürlich sind wird in Gedanken sind wir bei den Kameraden, die gerade im Einsatz sind.“ Er habe selbst ähnliche Flüge mit der „Transall“ durchgeführt. „Unabhängig von der Gefahr ist es zutiefst bedrückend, aus dem Cockpit heraus die Not der Menschen am Boden mitansehen zu müssen.“
Der oberste Soldat der Luftwaffe, Generalleutnant Ingo Gerhartz, hatte die Abschiedstour des sonderlackierten Flugzeugs in einem „Eurofighter“ eine Teilstrecke lang begleiten wollen. Der Inspekteur musste aber aufgrund der Lage die Teilnahme kurzfristig absagen. Die beiden Maschinen, eine zweite Transall flog die Reise mit, hatten dagegen andere imposante Begleiter: Über dem Kreis Heinsberg gehörte sogar ein großes vierstrahliges Nato-Frühwarnflugzeug dazu, gesteuert von einem ehemaligen deutschen Transall-Piloten.
Soeben endete die zweitägige Tour der letzten „Engel der Lüfte“ unter anderem mit Überflügen von München, Dresden und Potsdam in rund 200 Meter Höhe. Beim Erstflug 1963 war die Transall ein richtungweisendes Projekt: Entwickelt und gebaut wurde das Flugzeug vom deutsch-französischen Konsortium „Transporter Allianz“ (kurz: Transall), eine fruchtbare bi-nationale Luftfahrt-Zusammenarbeit, die später mit Airbus und EADS einen Höhepunkt erreichen sollte. Zur C-160, so die offizielle Bezeichnung (C steht dabei für Cargo, also für Fracht, die Zahl für die Quadratmeter der Tragflächen), gab es bereits 1957 erste Projektstudien. Da waren Flüge für jedermann nach Mallorca oder gar in die USA noch unvorstellbar. Auch an Satelliten-Navigation, Landkarten auf dem iPad oder den Digitalfunk dachte niemand. Bis 1998 flog deshalb in der Transall ein Bordnavigationsfunker mit, der die Position unter anderem über einen Sextanten nach den Sternen bestimmen musste.
Jahrzehntelang war die brummende Riesen-Hummel ein Symbol weltweiter deutscher Katastrophenhilfe, kein anderes Militärflugzeug hat ein so positives Image. Rund 12.500mal sind die 90 Transall der deutschen Luftwaffe seit 1968 umgerechnet um den Globus geflogen – in Gebiete und Länder von A wie Arktis oder Australien bis Z wie Zypern oder Zentralafrikanische Republik. Nun hat sie dem moderneren A400M Platz gemacht, den in Afghanistan gleich die erste große Bewährungsprobe erwartet.
Das LTG 63 wird Ende Dezember offiziell außer Dienst gestellt, 2017 hatte es bereits das LTG 61 in Bayern getroffen. Nur das dritte Geschwader, das LTG 62 in Wunstorf bei Hannover, bleibt übrig. Es wird zurzeit bis 2026 auf 53 Maschinen vom Typ Airbus A400M umgerüstet. Viele Besatzungen wechseln dorthin.
Zum Aufmacher-Foto: Das Gesicht der beliebten „Riesen-Hummel“ Transall, aufgenommen aus dem Begleitflugzeug über dem Westen Nordrhein-Westfalens. Foto. Helmut Michelis
Weitere Bild-Erläuterungen (von oben nach unten):
Von Geilenkirchen nach Nörvenich hat ein Kampfjet vom Typ „Eurofighter“ die Abschieds-Transall begleitet.
Ein Detail der liebevollen Sonderlackierung 1968–2021: Unsichtbarer Begleiter der Abschiedstour war die Sorge um die Kameraden, die zurzeit Evakuierungsflüge aus Afghanistan durchführen müssen.
„Fliegender Wächter“ trifft „Engel der Lüfte“: Ein Frühwarnflugzeug aus Geilenkirchen begleitet die letzte C-160 Transall.
Wie beim eigenen Auto: Bei einer Zwischenlandung in Nörvenich putzt die Besatzung sorgfältig die Cockpit-Fenster.
Alle Fotos: Helmut Michelis
Danke, Helmut. Für Bericht und Fotos (1)
Lieber Kollege,
tja, die Transall – die weckt in mir Erinnerung: 1977 sollte ich für die RP mit einer deutschen Journalistengruppe per Transall nach Kreta fliegen. Mittendrin lag eine Pershing, auf der wir zu Viert Skat spielten. Über Neapel gingen mir plötzlich die Lichter aus. Der Presseoffizier von der Hardthöhe reagierte schnell: Aus der Luft buchte er über das dortige deutsche Konsulat ein Zimmer im Hotel Vesuvio, informierte das italienische Militär und die Maschine landete auf dem militärischen Teil des Flughafens Neapel. Während ich von den Militärärzten versorgt und per Taxi ins Hotel befördert wurde, flogen die Journalistenkollegen weiter nach Kreta. Und ich fuhr am nächsten Tag – inzwischen wieder fit – mit dem Zug zurück. Das war schon ein aufregendes Erlebnis mit der Transall, das mir jetzt zum Abschied des Fliegertyps wieder ins Gedächtnis rückt.
Ich sende Ihnen schöne Grüße und hoffe, dass Sie gesund sind
In alter Verbundenheit FoPi