Niederländische Armee modernisiert CV90 IFV

Die Niederlande sind einer von sieben europäischen Nutzern (Dänemark, Estland, Finnland, Norwegen, Schweden, Schweiz und Niederlande) des BAE Systems Schützenpanzers (Infantry Fighting Vehicle; IFV) CV90. Die königliche niederländische Armee betreibt noch 144 CV90NLD. Wie die LeoBen-Gemeinschaft (Leopard 2-benutzende Staaten) bedeutet die Zugehörigkeit zur CV90-Familie auch, dass der Anwender eng und kontinuierlich untereinander und mit Hersteller BAE Systems zusammenarbeitet, um die aktuellen Fähigkeiten des Fahrzeugs zu verbessern und Investitionen in Betracht zu ziehen, die sicherstellen, dass die CV90 der auch für zukünftige Herausforderungen geeignet sind. Es wurden bisher mehr als 1.200 Fahrzeuge ausgeliefert. Der neuste Nutzer soll in den kommenden Jahren Tschechien werden. Dort gibt es Pläne bis zu 210 CV90 zu beschaffen. Damit könnte Tschechien der erste Nutzer des CV90 Mk IV werden.

Die Entwicklung begann 1982, die Produktion 1991. Norwegen erhielt das erste CV9030N Fahrzeug 1998 (147 Stück), die Schweiz 2002 (186 Stück) und Finnland 2003 (102 Stück). Die Niederlande und Dänemark (45 Stück) sind seit 2007 Nutzer. Und Estland beschaffte die 81 Fahrzeuge über die niederländischen und norwegischen Verträge, das letzte Fahrzeug wurde 2019 geliefert. Ende August erhielt Schweden erst das 100. CV90-Fahrzeug, von 471 georderten. In Schweden wird der Schützenpanzer als Stridsfordon 90 (Strf90) bezeichnet. Schweden war auch der Erstnutzer des damals CV90 Mk 0. Die Plattform wurde im Laufe der Jahrzehnte bis mittlerweile zum Mk IV verbessert. Das schwedische Fahrzeug ist mit einer 40 mm Bofors-Kanone ausgestattet. Exportversionen nutzen auch die 30 mm oder 35 mm Mk 44 Bushmaster II-Maschinenkanone von Orbital ATK. Der CV90 Mk IV wurde mit einem neuen Antrieb (1.000 PS), einem aktiven Schutzsystem und dem Augmented-Reality-System iFighting ausgestattet und sein Gewicht hat sich von 35 auf 37 Tonnen erhöht, mit zwei Tonnen zusätzlicher Nutzlast. Der CV90 Mk IV wurde erstmals im September 2017 gezeigt. Die modularen Türme des Fahrzeuges können zudem Bewaffnungen im Kaliber 30/40-, 35/50- oder 120 mm aufnehmen. Hinzu kommen optional Pods für weitere Maschinengewehre oder Panzerabwehrraketen. So wurden 2020 erstmals Testschüsse mit der integrierten Rafael Advanced Defense Systems/EurpSpike Spike-LR (Long Range) durchgeführt.

Die niederländischen Schützenpanzer CV9035 entsprechen noch der Version Mk III und werden im Rahmen eines mehr als 500 Millionen Euro umfassenden Modernisierungsprogramms angepasst. Eines der wichtigsten Modernisierungsschritte ist die Implementierung eines Gummikettensystems (rubber track). Was wie eine kleine Änderung von Stahlketten auf Gummiketten erscheinen mag, hat viele Vorteile. Die Gummikette verlängert die Durchhaltefähigkeit der Besatzung, reduziert die Betriebskosten und reduziert das Gewicht erheblich, was wiederum eine bessere Fahrzeugleistung ermöglicht.

Das Gummikettensystem wird gemeinsam von Soucy International in Quebec, Kanada, und BAE Systems Hägglunds in Schweden entwickelt. Soucy hat die Gummiketten entwickelt und produziert, und BAE Systems hat das System in groß angelegten Versuchen qualifiziert. CV90 mit Gummiraupensystemen sind bereits bei den norwegischen Streitkräften im Einsatz und haben den Praxistest bei aktiven Einsätzen in Nordafghanistan durchlaufen. Insgesamt erhöht die Umstellung auf Gummiketten das Potenzial für weitere Upgrades. Auch Dänemark hatte 10 CV9035s ab 2010 in Afghanistan im Einsatz.

Der Vertrag, der Anfang Oktober unterzeichnet wurde, umfasst die Entwicklung, Herstellung, Erprobung und Verifizierung sowie die Lieferung von Implementierungskits für die Ausbildung. Hinzu kommt die Versorgung mit der Serienkette für die kommende Jahre.

Die Umrüstung der CV9035NL-Fahrzeuge auf ein Gummikettensystem bringt unter anderem die Senkung des Geräuschpegels im Fahrzeuginneren um 10 dB und der Vibration um 65 Prozent. „Die reduzierte Vibration wird die Lebensdauer von Elektronik, Optronik und Munition erhöhen, was die Fahrzeugbetriebskosten erheblich senken wird. Darüber hinaus wird mit der Reduzierung des Fahrzeuggewichts um fast eine Tonne als Folge der Umstellung auf ein Gummikettensystem ein erhöhtes Potenzial für kontinuierliches Wachstum vorhanden sein“, erklärt Dan Lindell, Director Combat Vehicles bei BAE Systems Hägglunds. Mit der Gewichtsreduzierung geht zunächst auch eine Verbesserung des Masse-Leistungs-Verhältnisses und Erhöhung der Mobilität einher. Die geringeren Geräusche und Vibrationen verringern die Belastungen der Besatzung erheblich und verbessern die Geräuschtarnung.

Eine Gummikette von Soucy International wird auch bei der Produktverbesserung des Waffenträgers WIESEL in der Bundeswehr Einzug erhalten.

Die Modifikation des niederländischen CV90 ist die jüngste in einer Reihe von schrittweisen Aufrüstungen. Zuletzt, im Jahr 2019, wählte die niederländische Armee BAE Systems, um das aktive Schutzsystem Iron Fist Active Protection System (APS) von Elbit Systems zu integrieren. Iron Fist ist eine fortschrittliche Technologie, die anfliegende Bedrohungen wie RPGs (Rocket-Propelled Grenade) automatisch erkennt, verfolgt und neutralisiert, um das Fahrzeug und seine Besatzung zu schützen. Sie ergänzt die bereits bestehenden Stealth- und Soft-Kill-Schichten um weitere Mittel zur Abwehr der eindringenden Bedrohung und macht die Überlebensfähigkeit noch besser.

Die Weiterentwicklung des CV90 und die Nutzung durch die Niederlande sind auch deshalb sehr interessant, weil er als heißer Kandidat für das deutsche Heer gilt, sollte der Schützenpanzer PUMA seine Einsatzfähigkeit nicht nachweisen können. Der CV90 gilt als Favorit des Kommandos Heer bei einem möglichen Ersatz. Mitte 2020 wurde in Strausberg darüber beraten, den Schützenpanzer PUMA gegebenenfalls frühzeitig wieder auszuphasen und durch ein anderes Fahrzeug zu ersetzen. Allerdings würde diese Entscheidung für die Bewährungsprobe des Heeres bei der Very High Readiness Joint Task Force (VJTF) 2023 auch nicht mehr ausreichen. Eine Entscheidung den PUMA zu ersetzen, ein Vertrag für Ersatz, die Herstellung, Lieferung und Ausbildung der Soldaten kann bis 2023 nicht rechtzeitig erfolgen. Deshalb ist der Schützenpanzer MARDER für die Einsatzbereitschaft des deutschen Heeres nach wie vor von herausgehobener Bedeutung.

(Beitragsbild: BAE Systems)

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