Die neue Heimwehr – ein Modell mit Zukunft

Landesverteidigung 2020: Hier brüllt nicht der Spieß auf dem Kasernenhof, sondern nebenan das Baby in der Wiege. Schneidige Befehle erteilt nicht mehr der Gruppenführer, sondern im Minutentakt die geliebte Partnerin oder der Partner. Statt „Feuerbereitschaft herstellen“ heißt es etwa energisch: „Denk an den Mülleimer!“ oder „Räum noch eben die Spülmaschine aus!“

Fußball-Fantrikot, Jogginghose und Badeschlappen ersetzen den unbequemen Feldanzug samt Kampfstiefeln und Helm. Der Dienstanzug passt ohnehin nicht mehr – die deutlich verbesserte, in der Küche rund um die Uhr verfügbare Truppenverpflegung von Pils bis Pommes oder, je nach Neigung, von Prosecco bis Pralinen zeigt die zu erwartende raumgreifende Wirkung. Statt eines Panzers rollt ab und zu mal der Paketbote vor, was aber willkommene Abwechslung im heeresgrauen Alltag darstellt. Und der Laubbläser des Nachbarn sorgt im Hintergrund für den nötigen Gefechtslärm.

Richtig: Es geht um die neuen Home-Officers unserer Streitkräfte. Franz Josef Strauß hätte wohl erneut Strafanzeige wegen Landesverrats gestellt, wenn ihm jemand vom Zustand seiner Armee nach 65 Jahren berichtet hätte. Hoffentlich versperren ihm und dem seligen Konrad Adenauer dichte Wolken von oben jedweden Blick darauf: Ihre Bundeswehr hat sich nach Hause verkrümelt oder platziert Telefonposten in den Gesundheitsämtern. Dabei überflügelt die Realität jede Satire. Auf der Bundeswehr-Homepage gibt allen Ernstes ein Truppenpsychologe wertvolle Tipps, wie das gnadenlose Einzelkämpferdasein in den eigenen vier Wänden überhaupt zu überleben ist, etwa: „Geben Sie Ihrem Alltag Strukturen, machen Sie Pausen, pflegen Sie nach der Arbeit Ihre Hobbys und Kontakte.“ Und in der Story rechts daneben ertönt gar der neue Schlachtruf: „Neues Leben für alte Laken!“ Also munteres Maskennähen zu Hause statt gefährlicher Aufklärung im fernen Mali, die ohnehin bei den örtlichen Terroristen wenig beliebt ist. Wer wollte da nicht lieber mit Nadel und Faden Deutschland tapfer vor Ort verteidigen!

„Distance Learning“ heißt eines der neuen denglischen Leitworte: Rekruten lernen im Selbststudium daheim die theoretischen Grundlagen ihres künftigen Berufs. Draußen stürmt und schneit es? Drehen wir die Heizung noch etwas höher! Ziel des ersten eisenharten Eingewöhnungsmarsches kann zum Beispiel der Zigarettenautomat um die Ecke sein. Korrektes In-Stellung-Gehen? Lässt sich auch im Bett trainieren. Und sogar Beförderungen für Offizieranwärter im Rahmen einer Videokonferenz gab es kürzlich. Eigentlich muss kein Soldat mehr in die Kaserne kommen, selbst die Entlassung ist schließlich virtuell möglich. Für die abzugebenden Uniformteile gibt es den Kleidercontainer um die Ecke, die Urkunde für jahrelanges treues Dienen kann man sich bequem zu Hause ausdrucken.

Diese hochmoderne Form der Abschreckung macht sich auch sonst sehr positiv bemerkbar: Ist doch wurscht, ob der Schützenpanzer „Puma“ nach Jahrzehnten vielleicht mal funktioniert. Solche unglücklichen Rüstungsprojekte, in den Cyberraum verlegt, ermöglichen schnell ungeahnte Verbesserungssprünge. Der Eurofighter schießt mit Laserkanonen im Weltraum sogar gigantische Klingonen-Kreuzer in tausend Stücke, eine tonnenschwere Fregatte kann bei Bedarf auch fliegen und tauchen, und der Joy-Stick ist tausendmal treffsicherer und zudem erheblich preiswerter als jedes neue Sturmgewehr.

Die Bundeswehr soll im Jahr 2020 gar nicht mehr einsatzfähig sein? Das können nur total ahnungslose Geister wie jüngst der Militärhistoriker Sönke Neitzel im „Spiegel“ behaupten. Beispielsweise funktionieren Videokonferenzen zum Schutz der NATO-Nordostflanke genauso gut. Jedenfalls bedrohen sie niemanden versehentlich mehr, fragen Sie die russische Botschaft. Gerüchteweise heißt es, einige deutsche Kampfverbände seien sehr wohl noch in ihren Liegenschaften personell präsent. Das muss allerdings eine Falschmeldung sein. Denn in einer gut geölten Bürokratie wie der Bundeswehr ist eine Kampftruppe mit Peng und Bumm, Schweiß und Staub sowie Düsengeheul und Kettengequietsche nicht nur lästig, sondern wie die Ritter aus der Zeit gefallen und folglich gänzlich entbehrlich.

Auch der linksextremste Kritiker kann nun an unserer neuartigen „Heimwehr de luxe“ nichts mehr auszusetzen haben. Corona macht’s möglich, ein wahres Friedens-Virus! Kleingeistigen Nörglern am neuen System, die dahinter nur Gammeldienst auf Steuerzahlers Kosten vermuten, kann im übrigen schnell gekontert werden: Bedeutete Homeoffice früher noch „kochen, putzen, tapezieren, Keller aufräumen und Mittagsschläfchen“, so garantieren frische, ungewohnt gut funktionierende Laptops ab sofort dafür, dass es hochkonzentriert und nonstop allein um Dienstliches gehen wird. Ja, echt. Versprochen! Wobei die wichtige Frage möglicherweise noch nicht geklärt ist, ob Fernpendler im Home-Office weiterhin an Freitagen bereits um 11 Uhr die Arbeit einstellen dürfen. Da gilt: Was eingespielt ist, sollte nicht leichtfertig geändert werden.

 

 Zum Foto:

Home-Office bei der Bundeswehr. Hier ein gestelltes, von der NATO ausdrücklich nicht autorisiertes Symbolbild. Es ist schon darum nicht realistisch, weil eine Uniform mangels applaudierender Zuschauer in Diensten der Heimwehr nicht getragen werden muss. 

Foto: M.  

1 Kommentar zu „Die neue Heimwehr – ein Modell mit Zukunft“

  1. Hallo Helmut,
    erneut hast Du den Nagel wieder voll auf den Kopf getroffen !
    Nur, wo hast Du das Bild her ?
    Ich erkenne ihn genau: Das ist doch unser RK-Mitglied Karl-Heinz Schippergers 🙂
    Ich wusste gar nicht, dass er einen Internet-Zugang besitzt …

    Übrigens gibt es jetzt den Home-Pendler-Pauschale: Denn, zwischen Stube, Waschraum, Kantine und Dienstzimmer hat sich mittlerweile das altbewährte Parkett abgenutzt 🙂 !

    Bleib gesund
    LG auch an Birgitt

    Wolfgangf

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen
Scroll to Top