Korporal? Der Obergefreite 2.0!

Kam nicht in einem der legendären „Tim und Struppi“-Comics eine südamerikanische Armee vor, in der alle Soldaten den Dienstgrad Oberst trugen? Gewiss, militärisch ein wenig unzweckmäßig. Aber gesellschaftliche Stellung und Gehalt stimmen auf diese Weise, was den Personalwerbern in jener fiktiven Bananenrepublik des Humors wohl die Arbeit deutlich leichter gemacht haben dürfte. Kein Modell also für unsere seriöse Bundeswehr, zumal in Zeiten von Corona, wo doch potenzielle Rekruten nicht mehr weit nach Mitternacht mit Rum in der verrauchten Hafenkneipe oder mit kessen Cocktails im Gedrängel einer Disco benebelt zur Unterschrift gedrängt werden können.

Deshalb muss jetzt ab 2021 der neue attraktive Spitzendienstgrad „Korporal“ her, über den das schlaue Internet weiß: „Veraltet für Unteroffizier“. Aha, das passt ja für unsere gern nostalgisch orientierten Streitkräfte, die beispielsweise als Nachfolge für den Tornado-Jet die amerikanische F-18 (Erstflug: 18. November 1978) anschaffen wollen. Für Laien auf der Zeitschiene erklärend umgerechnet: Man möchte den in die Jahre gekommenen F-104 „Starfighter“ mal eben schneidig durch Richthofens roten Fokker-Dreidecker ersetzen. Oder der von der Juristerei zurzeit gründlich auf Grund gesetzten G36-Nachfolge durch die Einführung der bewährten spätmittelalterlichen Arkebuse neuen Schwung verleihen.

Ich weiß, das ist unfair und nicht ganz korrekt gerechnet, aber es macht die Lage anschaulich. Doch zurück zum Thema: Wer redet da ketzerisch von Inflation? Ja, früher ging diese Mannschafter-Welt nur bis zum Hauptgefreiten. Der war in der Kompanie ein respektabler Typ, mit dem man sich nicht anlegen sollte. Und die tragenden Säulen deutscher Armeen sind schon immer die cleveren Obergefreiten gewesen, jene alten Hasen, ohne die nichts lief. Heute wird – gefühlt – jeder Soldat beim Betreten der Kaserne direkt OG und nach spätestens drei Kantinenbesuchen zum HG befördert. Wohl nur, damit die Kasse stimmt, soll heißen: in der lobenswerten Absicht, dass er oder sie zügig so viel Geld verdienen kann, dass sich für diesen geilen Job ausreichend Bewerber finden lassen. Nicht ganz so rasant, aber doch deutlich schneller als früher kann man sogar Hauptfeldwebel werden, in der militärischen Hierarchie einstmals ein Dienstgrad, der knapp unter Gott eingeordnet war.

Des einen Freud, des anderen Leid: Folgt man dem Bundeswehr-Verband, so sind die Unteroffiziere gar nicht so glücklich über die Neuen in der bunten Schulterklappen-Vielfalt. Das sei eine Belohnung für Faulheit, schimpfen sogar manche. Denn: Warum sollte noch jemand die Last der Lehrgänge und Prüfungen auf sich nehmen und später deutlich höhere Verantwortung tragen müssen, und dies nur, um in einer höheren Laufbahngruppe besser besoldet zu werden? Diese Kohle gebe es doch künftig einfacher. So könne ein gestandener Stabskorporal mit Amtszulage unter Umständen mehr verdienen als ein junger Feldwebel, so heißt es erzürnt. Ein Schelm, wer da an eine grundlegende Neuordnung dieses Dienstgrad-Dschungels denkt. Andererseits könnten nun die anderen Ebenen ebenfalls auf neue lukrative Karrierewege drängen, den Stabsoberstabsfeldwebel zum Beispiel oder den viersternigen Großoberst. Probleme über Probleme.

Nun, bevor es man sich als Autor mit gleich 5000 zukünftigen Spitzendienstposteninhabern verdirbt – Ihr seid nicht persönlich gemeint, Kameraden! –, an dieser heiklen Stelle lieber ein unauffälliger Themenschwenk. Ein Gutes hat die Sache mit den Korporalen doch: Während jeder zusätzliche goldene Wasserhahn in der Kapitänskammer der „Gorch Fock“ gleich an die Presse oder die Linkspartei verraten wird, funktioniert hier die Geheimhaltung perfekt: Fast niemand weiß bislang, wie die Dienstgradabzeichen der Korporale aussehen werden. Nach dem Soldatengesetz erlässt der Bundespräsident diese Details der Uniform. Dem darf nicht vorgegriffen werden. Und so reden dieAuguren von bis zu zwei silberweißen Querbalken auf olivfarbenem Grund oder von einer Uffz-Schulterklappe mit ein oder zwei hellen Querbalken (zum Durchstreichen dieses höherrangigen Unteroffizier-U‘s?).

Logisch wäre es indes, die in der NATO übliche Kennzeichnung für die Corporals mit umgekehrten Feldwebel-Winkeln ohne das irreführende „U“ drumherum zu übernehmen. Also wird es diese Lösung in der uns bekannten Bundeswehr bestimmt nicht geben. Folgerichtig wäre die Fortsetzung der Gefreiten-„Pommes“ auf der Schulter – bis zu imposanten sieben auf einen Streich. Dies jedoch würde bei der korrekten Anrede zu viel Zeit kosten. Man müsste ja vorher erst mühsam durchzählen. Und da wird es bekanntlich für Unsereinen ab drei schwierig. Langeweile kommt also nicht auf in der Bundeswehr, dem neuen alten Korporal sei Dank!

(Beitragsbild: Die geheimnisumwobende neue Schulterklappe – sieht sie etwa für einen Stabskorporal Unteroffizieranwärter so aus? Fotomontage: mic)

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