feministische Außenpolitik

Nina Bernading -Co-Executive Director beim Centre for Feminist Foreign Policy im Gespräch.

Frau Bernading, Sie treten für eine feministische Außenpolitik ein. Was ist das überhaupt?

Eine Außenpolitik, die anerkennt, dass es strukturelle Ungleichheiten – z.B. zwischen Geschlechtern – in Gesellschaften weltweit gibt, und die alles daransetzt, diese Ungleichheiten abzubauen. Um das zu erreichen konzentriert sich eine feministische Außenpolitik auf die Interessen und Bedürfnisse von politischen Minderheiten, wie z.B. Frauen oder LGBTQI* Personen. Denn: Forschung zeigt, dass ein Staat umso friedlicher ist – nach außen als auch nach innen – je gleichberechtigter die Geschlechter in dem Staat sind. Also: Staaten, in dem alle Geschlechter die gleichen Rechte, Ressourcen und Möglichkeiten haben, führen seltener Krieg und halten sich eher an internationale Abkommen.

In Europa gilt Schweden als Vorreiter und betreibt seit Oktober 2014 als erstes Land der Welt eine feministische Außenpolitik – was hat sich in Ihren Augen seit dem Start verbessert?

Vieles. Seit 2014 zielt Schwedens Außenpolitik ganz explizit darauf ab, die Rechte von Frauen und Mädchen weltweit zu stärken und setzt sich dafür ein, dass Frauen gleichberechtigt an politischen Prozessen beteiligt sind. Das hat ganz konkrete Auswirkungen auf die schwedische Politik: 2015 z.B. erneuerte die schwedische Regierung ein millionenschweres bilaterales Rüstungsexportabkommen mit Saudi-Arabien nicht mehr – u.a. wegen dessen Frauenrechtsverletzungen. Auch stellt Schweden sicher, dass bei allen politischen Entscheidungen die Situation von Frauen und Mädchen explizit mitgedacht wird, z.B. durch nach Geschlecht aufgeschlüsselten Daten. Auch stellt Schweden verstärkt finanzielle Ressourcen für das Ziel der Geschlechtergerechtigkeit bereit. Konkret hat sich das z.B. zu Beginn der Pandemie gezeigt, als Schweden zusätzliche Gelder für Überlebende von geschlechtsspezifischer Gewalt und für reproduktive Gesundheitsversorgung zur Verfügung gestellt hat.

Aktuell -mit weiblicher Kanzlerin und Verteidigungsministerin- scheinen wir gut aufgestellt, was muss sich aus Ihrer Sicht als erstes in Deutschland ändern?

Wir haben noch einen langen Weg vor uns, gerade was gleichberechtigte Repräsentanz in der Politik angeht. Weder unser Kabinett noch unser Parlament sind paritätisch besetzt; nicht einmal jede fünfte Botschaft wird aktuell von einer Frau geführt. Ohne Quoten wird das nichts. Aber es gibt auch noch viele weitere Probleme über Repräsentanz hinaus: Wir verdienen noch immer im Durchschnitt 20% weniger als Männer. Noch immer haben wir nicht das Recht, selbstbestimmt über unserer Körper zu entscheiden. Jeden Tag versucht in Deutschland ein Mann, seine (Ex-) Partnerin zu töten; an jedem dritten Tag gelingt es.

Als erstes müssten wir daher anerkennen, dass wir noch immer ein massives Problem bei der Gleichberechtigung haben. Und dass es nicht nur die Aufgaben von uns Frauen ist, das zu ändern. Geschlechtergerechtigkeit ist kein „Frauenproblem“, es ist eine gesellschaftliche Aufgabe.

Außenpolitik- auch feministische- ist untrennbar mit Verteidigungspolitik verbunden- wie sehen Sie die Rolle der Bundeswehr in den nächsten Jahren?

Solange Verteidigungspolitik auf der Fähigkeit fußt, andere Völker oder Staaten im Namen unserer Sicherheit zerstören oder dominieren zu können, kann es keine feministische Verteidigungspolitik geben. Eine feministische Außenpolitik setzt sich dafür, die Sicherheit von Menschen und nicht von Staaten zu gewährleisten. Und die größten Gefahren für unserer Sicherheit sind im Moment Pandemien und die Klimakrise. Da hilft uns keine Armee der Welt. Im Gegenteil: Weltweit werden die Verteidigungshaushalte aufgestockt während die Gesundheitssysteme in fast allen Ländern in den letzten Monaten an ihre Grenzen kamen.

Kürzlich gab es eine medienwirksame Diskussion um weibliche Dienstgrade-
wie stehen Sie dem gegenüber?

Sprache beeinflusst unser Denken. Geschlechtersensible Sprache kann dazu beitragen, Geschlechterstereotypen und Rollenbilder abzubauen und dagegenzuwirken, dass der Mann oder das Männliche als die Norm gesehen wird. Im Fall der Dienstgrade kann die weibliche Form dabei helfen, das Bild des klassischen (männlichen) Soldaten aufzubrechen, sodass zukünftige Generationen sich nicht automatisch Soldaten vorstellen, wenn sie an die Bundeswehr denken, sondern vielleicht auch Soldatinnen. Wir sollten bei der Diskussion aber nicht vergessen, dass auch männliche und weibliche Dienstgrade weiterhin Menschen ausschließen, nämlich diejenigen, die sich weder als Frau noch als Mann definieren.

Vielen Dank für das Gespräch.

(Beitragsbild:Bernading)

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