Nun doch eine Medaille für den Somalia-Einsatz

Von Helmut Michelis

Soldaten von „Libelle“ und „Pegasus“ gehen weiter leer aus

Was lange währt … Ein großer Teilerfolg wurde jetzt bei der nachträglichen Verleihung von Einsatzmedaillen der Bundeswehr erreicht. Für diese Medaille gilt künftig ein neuer Stichtag: An die Stelle des 30. Juni 1995 tritt der 1. November 1991. Das bedeutet: Die Einsatzmedaille steht künftig nachträglich auch denjenigen Soldaten zu, die an der UN-Mission 1991 bis 1993 in Kambodscha, vor allem aber an der Blauhelmmission 1993/1994 in Somalia teilgenommen haben. Dies betrifft vor allem zahlreiche Fallschirmjäger.

Die  Friedensmission  in Somalia diente dem Ziel, einen Waffenstillstand zu überwachen und humanitäre Hilfeleistungen in dem Land am Horn von Afrika sicherzustellen. Mehr als ein Vierteljahrhundert danach zeichnete das Landeskommando Bayern am Ausbildungszentrum Pioniere in Ingolstadt nun die ersten 22 ehemalige Soldaten mit der Einsatzmedaille aus.

Für diese späte Ehrung hatte sich Oberst a.D. Manfred Benkel, der frühere Kommandeur der Pionierbrigade 60, sehr intensiv eingesetzt. Benkel wurde als ehemaliger stellvertretender Kommandeur des deutschen UNOSOM-Kontingentes im November 2019 ebenfalls ausgezeichnet. Beobachter schilderten ihn als „sichtlich zufrieden“.

Bislang war der Stichtag zur Verleihung einer Einsatzmedaille im Juni 1995 angesetzt worden, um an den Bundestagsbeschluss zur Billigung des Bundeswehreinsatzes in Bosnien-Herzegowina zu erinnern. Diese Regelung war vor allem von Angehörigen der deutschen Kontingente bei UNOSOM als ungerecht empfunden worden. Ihr 2018 verstorbener Kommandeur Brigadegeneral a.D. Helmut Harff hatte sich vehement für diese Verbesserung eingesetzt. Diesen späten Erfolg seiner Bemühungen erlebte Harff nun leider nicht mehr mit.

Damit ist eine in Teilen als ungerecht empfundene Regelung erheblich verbessert worden. In die Röhre schauen aber nach wie vor die Teilnehmer an den Evakuierungsoperationen „Libelle“ (1997) und Pegasus“ (2011). Sie fanden zwar bereits nach alten Stichtag statt, wären also grundsätzlich auszeichnungswürdig gewesen. Die Auszeichnung wird den Teilnehmern aber nach wie vor verwehrt – mit verschiedenen Begründungen. Zum einen pochen die Juristen auf die Artikel 1 bis 5 der Verleihungsregeln, wonach für die Verleihung der Einsatzmedaille der Bundeswehr eine Dienstzeit von mindestens 30 Tagen erforderlich ist. Eine EvakOp von dieser Dauer hätte aber möglicherweise die Folge, dass keiner der zu Rettenden dann noch leben würde

Ersatzweise“ könne eine Einsatzmedaille der Stufe Gefecht „nur für Sachverhalte verliehen werden, bei denen die in Artikel 3 Absatz 2 Nummer 1 genannten Voraussetzungen nach dem 28. April 2009 erfüllt worden sind“ – also nach einem deutlich späteren Stichdatum, was „Pegasus“ allerdings zunächst nicht betrifft. Diese Operation lief jedoch ohne einen Schusswechsel ab. Hintergrund für die Verweigerung einer Medaille ist hier mutmaßlich der politische Streit um die seinerzeit nicht erfolgte Parlamentsbeteiligung. Das Auswärtige Amt stufte die Operation Pegasus daraufhin im Nachhinein nicht als bewaffneten Einsatz, sondern als „gesicherten Evakuierungseinsatz mit humanitärer Zielsetzung“ ein.

Bei Libelle wird eine Ablehnung auch damit begründet, die beteiligten Soldaten hätten alle zum ersten SFOR-Kontingent gehört; mit dieser Medaille sei somit auch die Evakuierungsoperation samt Feuergefecht automatisch abgedeckt. Dies ist gleich doppelt falsch: Mehrere Teilnehmer wie der damalige deutsche Militärattaché in Kroatien stießen hinzu; zudem wurden alle Soldaten vor dem Start offiziell aus dem SFOR-Kontingent herausgelöst und nationalem Kommando unterstellt, was unter anderem zu der Pointe führte, dass die damals in Sarajevo gezahlte tägliche Gefahrenzulage von 130 Mark zunächst für die „Abwesenheitstage“ gestrichen wurde. Nachträglich wurde sie dann jedoch konkret für „Libelle“ wieder neu zuerkannt.

Die betroffenen Soldaten können solche juristischen Begründungen, für sie undurchschaubare Spitzfindigkeiten von Bürokraten, nicht nachvollziehen. Vielleicht gibt die jüngste Entscheidung neue Hoffnung, dass es doch noch zu einer gerechteren und nachvollziehbaren Entscheidung auch bei „Libelle“ und „Pegasus“ kommt.

1996 erstmals verliehen

Die Einsatzmedaille ist eine vom Bundespräsidenten genehmigte nationale Auszeichnung, die unter das Gesetz über Titel, Orden und Ehrenzeichen vom 26. Juli 1957 fällt. Nur der Bundesminister der Verteidigung kann ein nationales Ehrenzeichen wie die Einsatzmedaille verleihen. Verteidigungsminister Volker Rühe händigte die ersten Einsatzmedaillen während eines Festakts in Bonn am 26. Juni 1996 aus. Er ehrte 26 Soldaten und zivile Mitarbeiter mit der von ihm im April 1996 gestifteten Auszeichnung für ihren Balkan-Einsatz in Bosnien und Herzegowina (IFOR). Sie waren die ersten Träger eines Ehrenzeichens, das den Wandel der Streitkräfte von einer Armee zur Landesverteidigung zu einer Armee im Einsatz auch äußerlich sichtbar machte.

Mehrfachteilnahmen an Auslandseinsätzen können seit 2004 durch die neuen Stufen der Einsatzmedaille Silber und Gold gewürdigt werden.

 

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