von Helfried Kellerhoff
Wasser fällt vom Himmel, aber nicht wie zu biblischen Zeiten: 6 Tonnen Wasser bringt die Transall aus 200 m Höhe mit 250 km/h Absetzgeschwindigkeit; 10 l werden pro Mann und Tag benötigt; aber auch Lebensmittel, Betriebstoff, Munition, Medikamente, Ersatzteile: Luftversorgung ist lebenswichtig! Am Boden ein französisches Feldlager im Vauban-Stil aufgebaut (Vauban-Stil – man betrachte den Grundriss von Saarlouis).
„Vom Himmel herab, an jeden Ort, für jedermann“, so steht es in französischer Sprache in der Fallschirmpackhalle des französischen Feldlagers in N`Djamena und im Palettenpackzentrum von Niamey oder Gao. Ein Leitspruch, der alle Forderungen einer Kampftruppe im Einsatz abdeckt. Der Leser ahnt es schon; Lufttransport, Versorgung aus der Luft, ist der Schlüsselbegriff.
Der Einsatzraum von Barkhane, nämlich die fünf Sahel-Staaten (sahl arab. Meeresküste) Tschad, Niger, Mali, Mauretanien und Burkina-Faso, bildet für einen Franzosen auf der Landkarte eine verlängerte Mondsichel (frz. croissant), für einen Sahara-Bewohner dagegen eine halbmondartige, langgezogene Düne (arab. barkhane). Dies wurde folglich das offizielle Wappen, das die 4.500 französischen Soldaten, davon 1.500 Fallschirmjäger der 11. FschJgBrig aus Toulouse, die seit dem 01. August 2014 in dieser Übersee-Operation eingesetzt sind, in stilistischer Form auf der Uniform tragen.
Im Operationsraum Barkhane, neun Mal die Fläche Frankreichs, aber Ödland und Wüste, teils ohne Straßen, teils wenige Straßen, immer mit rauem Klima, derzeit auch noch Regenzeit, kämpfen die Fallschirmjäger an vorderster Front gegen religiöse Eiferer der „Gemeinschaft zur Verteidigung des Islam und der Muslime“ (journalistische Kurzbezeichnung „Nusrat al-Islam“), ein Zusammenschluss verschiedener Extremistengruppen. Der strategische Auftrag lautet, den Raum besetzt zu halten und ständigen Druck auf den Feind auszuüben und ihm keine Atempause zu gönnen. Der politische Auftrag ist die Zusammenarbeit mit den Streitkräften Malis und derer der restlichen Sahel-Staaten, immerhin 5.000 Mann, um die Eigenverantwortung im Kampf gegen bewaffnete Terroristengruppen zu fördern.
Frankreich ist sich nicht zuletzt aufgrund der Kriegshandlungen im II. Weltkrieg bewusst, dass die Sahara der strategische Unterleib, die strategische Tiefe im Süden Europas ist. Es ist folglich lebenswichtig, sie stabil zu halten. Eine Einsicht, die Europa angesichts der Flüchtlingskrise und des Menschenhandels, der die Kassen der Kriegsherren füllt, spät erkannt hat.
Stabilität heißt auch Sicherheit für die Bevölkerung. Sie ist Vorbedingung dafür, dass wieder normales Leben beginnt, um den Exodus zu bremsen, der von der Anziehungskraft, sprich Realität, des europäischen Kontinents genährt wird. Ein Blick auf den Exodus: Die Bevölkerung der Sahel-Zone explodierte und wuchs von 230 Mio. 1960 auf heute eine Milliarde, ohne dass der Jugend Entwicklungsperspektiven geboten würden. So verwundert es nicht, daß diese das Versprechen auf das Paradies mit dem Risiko des Todes auf sich nimmt und sich nach Europa aufmacht.
Man wartet auf eine Lösung, die nur politisch sein kann. Die französischen Soldaten kennen die Region, sie kämpfen weiterhin gegen den religionskriegerischen Terrorismus, der sich in ständiger Entwicklung in den zahlreichen Zonen befindet, wo staatliche Konzepte keine Umsetzung finden – seien es Sicherheit, Gesundheit oder Erziehung.
Die unendliche Weite von Barkhane ist ohne Flugzeug militärisch nicht beherrschbar; und somit auch nicht ohne das am allerwenigsten bekannte FschJgRgt der 11. FschJgBrig: Das 1. Fallschirmjägertransportregiment (1er Régiment du train parachutiste – 1. RTP), ein unabdingbarer Dienstleister, um nicht zu sagen Scharnier zwischen Himmel und Erde, um eben Fallschirmjäger abzusetzen, sie zu versorgen, aber auch um glückliche Momente zu schaffen: ein Brief von zu Hause, der letzte Weg per Fallschirm, oder eine Kiste Coca – phantastisch wie an Weihnachten!
Das 1. RTP, 620 Männer und Frauen, ein Kettenglied in den strategischen militärischen Fähigkeiten Frankreichs. Einzigartig, dieser Verband aus Toulouse. Er macht die Luftversorgung für Heer, Luftstreitkräfte und Marine für Hilfseinsätze, für humanitäre Luftversorgung oder zur Rettung von Staatsbürgern. Mit diesem Verband ist Frankreich das einzige Land in Europa, das umfangreich Luftlandeoperationen mit Schwerlasten autonom planen und durchführen kann.
In der Region, mit Schwerpunkt in Mali, sind noch weitere multinationale Einsätze. MINUSMA und EUTM, darin auch recht umfangreiche Kräfte der Bundeswehr, ergänzen Barkhane, aber ohne Kampfeinsatz. Dennoch, auch sie sind mit schmerzhaftem Blutzoll verbunden.
Fotos mit freundlicher Genehmigung von Pierre Challier, „Dépèche du Midi“, Toulouse